Unternehmensverantwortung: Haltung zeigen, Sicherheit schaffen
Unternehmen tragen die zentrale Verantwortung beim Arbeits- und Gesundheitsschutz ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Diese umfasst weit mehr als die Einhaltung gesetzlicher Vorgaben – Ziel eines jeden Unternehmens muss es sein, dass seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor Gefahren an Leib und Leben geschützt sind. Ein sicherer Arbeitsplatz beginnt mit einem Bewusstsein für potenzielle Risiken und der Bereitschaft, proaktiv zu handeln.
In der Praxis der Gewaltprävention bedeutet das:
Eine Atmosphäre im Unternehmen, in der Respekt, Offenheit und gegenseitige Unterstützung selbstverständlich sind, ist Grundlage einer funktionierenden Gewaltprävention.
Folgende Punkte müssen Sie bei der Einführung eines strukturierten Sicherheitskonzeptes in Ihrem Unternehmen oder Ihrer Einrichtung beachten:
I. Grundsatzerklärung gegen Gewalt – ein starkes Signal
Ein zentrales Element in der Gewaltprävention ist die Grundsatzerklärung gegen Gewalt. Sie definiert die Haltung des Unternehmens klar und unmissverständlich. Gewalt – ob physisch, psychisch oder verbal – wird nicht toleriert.
Eine wirksame Erklärung enthält:
Diese Erklärung ist nicht nur ein Dokument – sie ist ein Bekenntnis und ein Maßstab für alle Mitarbeitenden. Nähere Information und eine Vorlage finden Sie unter “Aachener Modell“.pdf.
II. Gefährdungsbeurteilung – Risiken erkennen, bevor sie eskalieren
Die Gefährdungsbeurteilung bildet die Grundlage für alle im Unternehmen erforderlichen Maßnahmen gegen Gewalt. Sie ermöglicht eine strukturierte Bewertung von Arbeitsbedingungen. Sie ist das Werkzeug, mit dem Risiken für gewaltsames Verhalten im Arbeitsumfeld systematisch erfasst und bewertet werden.
Zur Einschätzung der Gefährdungslage werden Vorfälle dokumentiert und reflektiert – beispielsweise mithilfe eines Meldebogens bei Gewaltereignissen, durch den FoBIK-Fragebogen (Formen von Bedrohungen im Kundenverkehr, entwickelt durch die Unfallkasse Nordrhein-Westfalen), durch Mitarbeiterbefragungen im Rahmen der psychischen Gefährdungsbeurteilung oder durch Meldung konkreter Vorfälle durch verantwortliche Führungskräfte.
Diese Instrumente ermöglichen eine strukturierte Sammlung von Erfahrungswerten aus dem Alltag: Wo treten Konflikte auf? Welche Situationen sind besonders belastend? Wer ist wiederholt betroffen? Die Antworten darauf zeigen, wie groß das Risiko für Gewalt tatsächlich ist.
„Das Aachener Modell“, welches auf der Erkenntnis basiert, dass den jeweiligen Formen der Gewalt am Arbeitsplatz mit geeigneten und verhältnismäßigen Mitteln begegnet werden muss, wurde von der Unfallkasse Nordrhein-Westfalen entwickelt und arbeitet mit vier Gefährdungslagen.
Bei Gefährdungslage 0 sind keine Hinweise auf potenzielle oder tatsächliche Gewaltereignisse vorhanden. Das Arbeitsumfeld gilt als sicher, und es reicht, bestehende Präventionsmaßnahmen aufrechtzuerhalten.
Lage 1: mittlere Gefährdungslage – verbale Grenzüberschreitungen, unangepasstes Sozialverhalten oder Sachbeschädigungen. Hier entscheiden die Mitarbeitenden mit ihren Führungskräften, ob ein solches Verhalten Konsequenzen für die Kundinnen/Kunden haben wird und wenn ja, welche. Schon in solchen Fällen ist eine Sensibilisierung der Mitarbeitenden in Bezug auf Selbsthilferechte, Straftatbestände und Standards nach Übergriffen sinnvoll.
Lage 2: hohe Gefährdungslage – es kommt zu Gewaltereignissen im höheren Bereich, wie körperliche Gewalt und Bedrohungen. Das Personal ist Ereignissen ausgesetzt, die bleibende Belastungen verursachen. Hier sind regelmäßige Schulungen, strukturierte Meldewege, klare Abläufe zur Deeskalation und Nachsorge notwendig.
Lage 3: sehr hohe Gefährdungslage – Mitarbeitende sind akut gefährdet, etwa durch physische Angriffe mit Waffen, Werkzeugen und/oder durch einen Vorfall hervorgerufene massive psychische Belastungen. Hier braucht es sofortige Interventionen, Schutzmaßnahmen und umfassende Nachsorgeangebote – sowohl individuell als auch im Team.
Diese Einstufung hilft Führungskräften, Teams und Fachpersonen dabei, das Risiko zu bewerten und zielgerichtet zu reagieren. Das „Aachener Modell“ ist somit bei der Erstellung der Gefährdungsbeurteilung ein essentielles Werkzeug.
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III. Maßnahmen nach dem TOP-Prinzip: Schutz und Prävention (vor-)leben
Wirksame Gewaltprävention beginnt mit der Verhältnisprävention. Sie ist die Basis effektiver Schutzkonzepte. Strukturelle Veränderungen stehen dabei im Fokus, erst danach folgt die Verhaltensprävention. Das TOP-Prinzip – technische, organisatorische und personelle Maßnahmen – bietet dabei klare Orientierung im schrittweisen Vorgehen nach Prioritäten. Beratung und Unterstützung erhalten Sie durch Aufsichtspersonen der Kommunalen Unfallversicherung Bayern, der Bayerischen Landesunfallkasse und auch durch Beratungsstellen der Bayerischen Polizei.
Technische Maßnahmen verbessern die bauliche Sicherheit: Eine klare räumliche Trennung zwischen Kunden und Mitarbeitenden ist die weitreichendste Maßnahme. Eine Möglichkeit stellt die Verringerung von Zutrittsmöglichkeiten für Kunden in das Gebäude dar, eine weitere die klare Abgrenzung zwischen Front- und Backoffice-Bereichen im Gebäude. Weitere Maßnahmen sind einsehbare Wartezonen, funktionale Fluchtmöglichkeiten sowie Alarmsysteme (z.B. stille Alarmierungssysteme mit Mithörfunktion über die Telefonanlage) und Videoüberwachung. Gute Beschilderung, helle Beleuchtung, Rufsysteme und sichere Schließtechnik fördern Übersicht und Schutz.
Organisatorisch sorgen Regelungen wie Hausordnung, Begrenzung von Begleitpersonen, Hausverbote und eine funktionierende Alarmierungskette für klare Reaktionswege. Kooperationen mit Sicherheitsdiensten und der Polizei sowie Standards zur Ahndung von Übergriffen schaffen verlässliche Strukturen. Wichtig ist auch die Erstbetreuung nach Vorfällen, etwa durch kollegiale Soforthilfe.
Personelle Maßnahmen stärken individuelle Handlungssicherheit: Schulungen zu Deeskalation, Kommunikation und Gewaltprävention befähigen Mitarbeitende, auch in schwierigen Situationen souverän zu handeln.
Eine geeignete Auswahl von Maßnahmen fördert eine gesunde Arbeitsatmosphäre und stärkt das Sicherheitsgefühl.
IV. Nachsorge – Unterstützung nach Vorfällen
Ein systematisch abgestimmtes Nachsorgekonzept im Betrieb rundet das Sicherheitskonzept ab. Nach einem traumatischen Ereignis steht an erster Stelle die kollegiale Soforthilfe/Erstbetreuung, idealerweise direkt am Ereignisort oder spätestens innerhalb von 48 Stunden. Sie erfolgt durch geschulte kollegiale Soforthelfende oder Erstbetreuende, die emotional stabilisieren, zuhören und Orientierung geben.
Ein betriebliches Soforthelfersystem übernimmt hier eine Schlüsselrolle: Kollegial, vertrauensvoll und strukturiert begleiten Kolleginnen und Kollegen Betroffene durch die ersten Stunden – auch mit praktischer Unterstützung, etwa Begleitung auf dem Heimweg und Kontaktaufnahme zu Angehörigen.
Weitergehende Informationen zur Gewaltprävention erhalten Sie unter folgenden Links:
Gewaltprävention - Schutz vor Übergriffen bei Arbeitsplätzen mit Publikumsverkehr Flyer_Gewaltpraevention
Gewaltprävention – ein Thema für öffentliche Verwaltungen?! Reduzierung von Bedrohungen und Übergriffen an Arbeitsplätzen mit Publikumsverkehr
„Das Aachener Modell“ “Aachener Modell“.pdf
Erstbetreuung und Nachsorge nach Überfällen in Sparkassen Broschuere_Erstbetreuung_Sparkassen.pdf
Seminare zum Thema Gewaltprävention:
Diese finden Sie unter Seminarangebot und Anmeldung.
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