Vorbereiten, planen und Voraussetzungen schaffen
Die Gesamtverantwortung für die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen trägt der Unternehmer; die operative Umsetzung wird häufig an Führungskräfte delegiert. Empfehlenswert ist es, die Gefährdungsbeurteilung in bereits bestehende Strukturen z. B. den Arbeitsschutzausschuss (ASA) oder Betriebliches Gesundheitsmanagement einzubinden.
Es kann sinnvoll sein, zu Beginn des Prozesses zunächst einmal für das Steuerungsgremium festzuhalten, worauf die Gefährdungsbeurteilung abzielt und was unter psychischen Belastungen verstanden wird. Dies kann z. B. die Betriebsärztin oder der Betriebsarzt oder die Fachkraft für Arbeitssicherheit übernehmen. Die Akteure des Steuerungsgremiums sollten benannt werden, damit klar ist, wer den Prozess der Gefährdungsbeurteilung im Betrieb steuert.
Wichtig ist, dass das Steuerungsgremium die einzelnen Schritte sowie den Zeitaufwand immer im Blick hat. Von der Vorbereitung der Gefährdungsbeurteilung bis zur Umsetzung der Maßnahmen sollten Sie etwa ein Jahr Zeit einplanen. Dabei ist es wichtig, sich damit auseinanderzusetzen, welche Methode zum Unternehmen und seinen Beschäftigten passt. Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen muss nicht notwendiger Weise separat erfolgen, sondern kann in bestehende Prozesse integriert werden. Für Unternehmen, die eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen erstmalig durchführen, kann es hilfreich sein, in einem Unternehmensbereich mit einem „Pilotprojekt“ zu starten. Dies kann eine Abteilung sein, in der z. B. ein hoher Krankenstand herrscht oder in einem Arbeitsbereich, der am Thema besonderes Interesse zeigt.
Das Steuerungsgremium sollte zunächst eine Bestandsaufnahme durchführen und bereits vorhandene Daten analysieren. Indikatoren für psychische Belastungen können Auffälligkeiten bei Unfallzahlen, Krankenstand, Fluktuation oder eine hohe Fehlerquote sein.
In der Vorbereitung der Gefährdungsbeurteilung ist es wichtig, die Beschäftigten darüber zu informieren, warum eine Befragung durchgeführt wird und was ihr Ziel ist. Betont werden sollte zudem, dass die Befragung vertraulich ist und die Ergebnisse über die Gefährdungsbeurteilung hinaus nicht verwendet oder ausgewertet werden. Der Hinweis auf den Datenschutz ist wichtig, um eine Vertrauensbasis zu schaffen und so eine hohe Beteiligungsquote sicherzustellen. Die oder der Datenschutzbeauftragte des Betriebs sollte daher mit eingebunden sein.
1. | Was ist das Ziel der Gefährdungsbeurteilung? | |||
2. | Ist ein entscheidungsfähiges Steuerungsgremium gebildet worden (inklusive Leitung und Personalvertretung)? | |||
3. | Was soll genau erfasst werden? | |||
4. | Wurden bereits vorhandene Informationen herangezogen (z.B. vorherige Befragungen, Zahlen zum Krankenstand, Begehungsprotokolle)? | |||
5. | Wie werden die Führungskräfte eingebunden? | |||
6. | Wie wird die Belegschaft über den Prozess informiert? | |||
7. | Wann soll die Befragung/Beobachtung/der Workshop durchgeführt werden? | |||
8. | Bis wann sollen Ergebnisse vorliegen? | |||
9. | Wie werden die Ergebnisse den Beschäftigten präsentiert? | |||
10. | Wie werden aus quantitativen Daten Maßnahmen abgeleitet? | |||
11. | Wie wird der Erfolg überprüft? |
Der Zeitpunkt, an dem z. B. eine Befragung durchgeführt wird, sollte mit Bedacht gewählt werden. Ungünstig sind Zeiten, in welchen die Arbeitsbelastung besonders hoch ist oder die Schulferien. Um für die Belegschaft repräsentative Ergebnisse zu erzielen, sollte die Rücklaufquote mindestens 50 Prozent (besser: 60 Prozent) betragen. Eine geringere Beteiligung kann auf Probleme im Unternehmen oder auf eine geringe Mitarbeiterzufriedenheit hindeuten. Für die Beantwortung der Fragen können Sie den Mitarbeitern eine Frist von ca. drei Wochen setzen. In einem kleinen Betrieb können Sie eine schriftliche Befragung auch an eine Veranstaltung wie z. B. die Personalversammlung koppeln. Dann ist ein Großteil der Mitarbeiter ohnehin anwesend und die Zeit zum Ausfüllen des Fragebogens wird im Rahmen der Veranstaltung gegeben.
Bei einer schriftlichen Befragung über einen längeren Zeitraum können die Bögen im Betrieb in einem Briefkasten (z. B. im Eingangsbereich des Unternehmens) gesammelt werden oder mit einem vorbereiteten Antwort-Kuvert zurückgeschickt werden. Auf jeden Fall muss die Befragung anonym erfolgen, so dass keine Rückschlüsse auf einzelne Personen möglich sind.
Über den Gesamtprozess hinweg ist die Kommunikation entscheidend. Wichtig ist, dass die Beschäftigten über Zwischenstand, Ergebnisse und Maßnahmen informiert werden, z. B. am Schwarzen Brett, in der Mitarbeiterzeitung, per E-Mail oder im Intranet. Eine Gefährdungsbeurteilung durchzuführen, ohne dass sie ein Ergebnis hervorbringt, wird von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sonst zu Recht als Zeitvergeudung empfunden.
Weitere Tipps für den Prozess:
Bei der Auswertung von Befragungen und Beobachtungen ist es wichtig, die Anonymität der Beschäftigten zu wahren. Um zu zeigen, wie ernst der Datenschutz und die Qualität der Auswertung genommen werden, kann damit auch ein externes Institut beauftragt werden. Aber auch die Personalvertretung kann die Auswertung übernehmen, wenn dieser über die Fachkenntnisse verfügt, und die oder der interne Datenschutzbeauftragte eingebunden wird. Auch die Kooperation mit einer Universität (z. B. im Rahmen einer Abschlussarbeit) ist möglich, um die Ergebnisse professionell auszuwerten. Kommuniziert werden sollte auch vorab, dass Tätigkeitsgruppen nur ausgewertet werden, wenn mindestens zehn Beschäftigte aus der Gruppe geantwortet haben. Erklären Sie deshalb genau, dass die Befragungsbögen nur von dem Institut bzw. der Personalvertetung ausgewertet und nach der Auswertung vernichtet werden.
Vor der Auswertung sollten Sie im Steuerungsgremium einige Punkte in Bezug auf die Auswertung festlegen, z. B.:
Da es keine Grenzwerte für psychische Belastungen gibt, sollten Sie vor der Auswertung überlegen, ab welchem Wert Sie in Ihrem Unternehmen eine Maßnahme zur Veränderung durchführen wollen. Eine hilfreiche Regel kann die Drittel-Regelung nach dem Ampelprinzip sein: Sie besagt, wenn ein Drittel der Befragten eine Fehlbelastung angibt, müssen Sie als Arbeitgeber nicht reagieren (Ampel = Grün). Geben bis zu zwei Drittel eine Fehlbelastung an, sollten Sie genauer prüfen (Ampel = Gelb), geben mehr als zwei Drittel die Fehlbelastung an, müssen Maßnahmen ergriffen werden (Ampel = Rot). Die Ampel-Regel ist aber nicht immer zielführend, da Sie auch überlegen müssen, wie gravierend die psychische Fehlbelastung ist, die vorliegt. Wenn beispielsweise 20 % der Mitarbeiter angeben, dass sie sich systematisch ausgegrenzt oder schikaniert fühlen, könnten dies Anzeichen für ein Mobbing-Problem sein. Hier müssen Sie tätig werden. Entscheidend ist, dass Ihre Beurteilung der Fehlbelastungen nachvollziehbar und plausibel ist, auch für die Belegschaft. Wenn Sie einen Mitarbeiterworkshop durchführen, können die Teilnehmenden die Ergebnisse selbst priorisieren und damit angeben, in welchen Belangen sie sich dringend Abhilfe wünschen.
Sinn und Zweck der Gefährdungsbeurteilung ist die Verbesserung der Arbeitsbedingungen. Zwar gibt es aus arbeitspsychologischer und arbeitswissenschaftlicher Sicht Qualitätskriterien für gesunde Arbeitsplätze. Dennoch sollten Verbesserungen in Zusammenarbeit mit den Beschäftigten entwickelt werden, die sie betreffen. Das erhöht die Akzeptanz von Veränderungen. In der Praxis haben sich zur Entwicklung solcher Maßnahmen Mitarbeiterworkshops bewährt.
Der Arbeitgeber ist laut § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG dazu verpflichtet, die umgesetzten Maßnahmen auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Die Wirksamkeitskontrolle ist damit ein Instrument der betrieblichen Selbstkontrolle. Eine Möglichkeit zu prüfen, ob die Maßnahmen zu Verbesserungen geführt haben, ist, das Verfahren der Gefährdungsbeurteilung erneut einzusetzen und die Ergebnisse zu vergleichen. Alternativ können die Vorgesetzten die Beschäftigten direkt um eine Rückmeldung zu den getroffenen Maßnahmen bitten oder Sie richten einen Mitarbeiterworkshop ein, in dem die Wirksamkeit der Maßnahmen thematisiert wird.
Alle Betriebe sind gesetzlich verpflichtet, getroffene Maßnahmen zu dokumentieren. Es muss schriftlich festgehalten werden, welche Gefährdungen es gibt, welche konkreten Arbeitsschutzmaßnahmen getroffen wurden, wann die Durchführung der Wirksamkeit erfolgte und welches Ergebnis sie hatte. Eine Mustervorlage zur Dokumentation nach § 6 ArbSchG kann zum Beispiel so aussehen: