Eine soziale Errungenschaft wird 100 Jahre alt
Seit 1925 entschädigt die gesetzliche Unfallversicherung auch Berufskrankheiten
Seit 100 Jahren werden nicht nur Arbeitsunfälle, sondern auch Berufskrankheiten durch die gesetzliche Unfallversicherung entschädigt. Am 12. Mai 1925 wurde die erste Berufskrankheiten-Verordnung erlassen – auch um den sozialen Frieden weiter zu stärken. Elf Erkrankungen standen damals auf der sogenannten Berufskrankheitenliste. Das waren zum Beispiel Erkrankungen durch Blei, Phosphor oder der Graue Star der Glasmacher und damit Spiegelbilder der damaligen Arbeitswelt.
Auch Dank des sich kontinuierlich verbessernden Arbeitsschutzes spielen die damals aufgenommenen Erkrankungen heute keine übergeordnete Rolle mehr. Seit 1925 haben sukzessive immer mehr Erkrankungen Eingang in die Berufskrankheitenliste gefunden. Mit der Aufnahme von drei neuen Krankheiten im April dieses Jahres sind dort mittlerweile 85 Berufskrankheiten verzeichnet.
Das Berufskrankheitengeschehen ist dynamisch. Es spiegelt den Wandel der Arbeitswelt und weitere Entwicklungen wider. Ein eindrucksvolles Beispiel dafür ist die Covid-19-Pandemie. Sie führte zu einem bis dahin ungekannten Anstieg des Fallaufkommens: Von 2020 bis 2023 wurden der Unfallversicherung über 540.000 Verdachtsfälle auf eine Berufskrankheit im Zusammenhang mit Covid-19 gemeldet. Noch nie zuvor hatten die Unfallversicherungsträger in so kurzer Zeit so viele Verdachtsmeldungen erhalten und bearbeitet.
Individuelle Prävention statt Berufsaufgabe
„Das Berufskrankheitenrecht ist in dieser Form einmalig. Denn es sichert Unternehmen und Beschäftigte nicht nur gegen bekannte Risiken ab, sondern auch für den Fall, dass sich ein Einfluss bei der Arbeit erst später als gesundheitsschädigend herausstellt“, sagt Dr. Edlyn Höller, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). “Unternehmen können darauf vertrauen, dass solche unerkannten Gefahren nicht plötzlich zum Haftungsrisiko werden. Beschäftigte haben die Sicherheit, auch nach Jahrzehnten Hilfe und Entschädigung zu erhalten, wenn es ihren Arbeitgeber möglicherweise schon gar nicht mehr gibt.“ Im Jahr 2023 wendeten die Unfallversicherungsträger für Versicherungsleistungen bei Berufskrankheiten insgesamt etwa 1,85 Milliarden Euro auf, darunter Leistungen an Hinterbliebene oder für die medizinische Rehabilitation.
Ein weiterer Meilenstein war zum Jahreswechsel 2020 auf 2021 die Weiterentwicklung des Berufskrankheitenrechts. Besonders intensiv diskutiert war in dem Maßnahmepaket der Wegfall des Unterlassungszwangs, also die Verpflichtung für betroffene Beschäftigte, die krankmachende Arbeit aufzugeben, damit bestimmte Berufskrankheiten anerkannt werden konnten. Seither setzen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen noch stärker auf Individualprävention: „Die Maßnahmen zielen darauf ab, dem jeweils ganz eigenen gesundheitlichen Risiko am Arbeitsplatz zu begegnen“, so Höller. „Das ist ein Gewinn für alle: für die Betroffenen, weil sie die Tätigkeit, die sie gern ausüben und die den Lebensunterhalt sichert, fortführen können. Und für die Unternehmen, weil die Maßnahmen besonders gut auf die betriebliche Situation, die betroffene Person und ihre Erkrankung abgestimmt sind.“
Interviewserie
Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums der ersten Berufskrankheiten-Verordnung startet die DGUV eine Beitragsserie auf der Website: Die Interviews mit Fachleuten beleuchten unterschiedliche Aspekte des Berufskrankheitenrechts und werden bis zum Herbst einmal monatlich im UV-NET erscheinen. Den Anfang macht ein Interview mit Dr. Carsten Fritz, Referent in der Abteilung Berufskrankheiten bei der DGUV, zu den Voraussetzungen der Anerkennung einer Berufskrankheit und dem Weg der Entscheidungsfindung zur Aufnahme einer Krankheit in die Berufskrankheitenliste.
Das Interview können Sie hier downloaden.
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